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Zurück zur Übersicht13.06.2025
Die Hasslocher Schachtage 2025
Die Hasslocher Schachtage sind für die Mainzer Schachfreunde weit mehr als ein gewöhnliches Turnier, bei dem ein jeder sein Können gegen Anfänger sowie Veteranen erproben kann. Vielmehr ist es ein Familientreffen, eine warme Zusammenkunft von Gleichgesinnten, die miteinander mitfiebern und fühlen. Gleichermaßen bei Sieg und Niederlage. Es ist fester Bestandteil, gemeinsam hinterm Brett der Kollegen zu stehen und sich über jeden erspielten Vorteil zu freuen, über die jeweilige Stellung vor der Tür zu fachsimpeln und auch bei Frustration tröstend zur Seite zu stehen. Ob im Hotel, auf dem Campingplatz, dem Schulhof des Austragungsortes oder Rund um die Bretter: man interessiert sich für Ergebnisse, Spielzüge, kümmert sich umeinander und hat im Gespräch sowie im Spiel eine außergewöhnliche Zeit mit durchweg lieben Menschen. Auch wenn man gelegentlich am Brett verzweifelt (und das passiert einem wohl ausgebildetem Schachfreund höchst selten), so ist einem der Rücken doch immer gestärkt und auf ein gemütliches abendliches Beisammensein kann sich selbst der größte Unglücksrabe freuen.
Es hat mittlerweile Tradition, dass am Tag des Turnierbeginns im nahe gelegenen Wachenheim das Basecamp der Schachfreunde errichtet wird. Auf Initiative des Vereinspräsidenten Uwe Michalski hin, der bereits vor einigen Jahren von einem derartigen Schachcamping geträumt hatte, ließ man dort ein weiteres Jahr den Worten Taten folgen. In Fahrgemeinschaften wurde gemeinsam angereist, wurden Hotelzimmer in der Gegend bezogen, und zeltförmige zeitweilige Königreiche erbaut. Dieses Jahr thronte am Kopf des Zeltplatzes famoserweise ein ganz besonderes Zelt: das temporäre Domizil des mittlerweile durchaus befreundeten Großmeisters Peng, Li Min, der kurz vor dem Turnier zugesagt hatte, den Schachfreunden dort nach der schönen gemeinsamen Grillerfahrung im letzten Jahr dort Gesellschaft zu leisten. Gesagt, getan:
So begann der erste Turniertag voller Vorfreude und doch geprägt von großer Verwirrung, da eine Neuauslosung der Paarungen durch einen technischen Fehler notwendig wurde. Während man sich eben noch freundlich mit Nebenmann und Nebenfrau zwanglos unterhalten hatte befand man sich im darauffolgenden Moment schon mit denselben im schachlichen Kampf und der bisherige Gegner an den man sich bereits gewöhnt hatte, saß plötzlich einige Bretter weiter, ersetzt durch den ein oder anderen grimmig wortkargen Rentner. Geeint durch Verwirrung begannen die Schachfreunde also ihre erste Runde.
Und es wurde dramatisch. Nicht nur spielte Theo wie gewöhnlich am zeitlichen Limit und überlebte durch die üblichen 30 Sekunden Inkrement mit einiger Mühe gerade so lange, bis sein Gegner gnädigerweise einzügig seine Dame einstellte ; auch zwischen den alten Freunden Li Min und Maksym spielte sich historisches ab. Nachdem die beiden am Vortag festgestellt hatten, dass sie gegeneinander gelost worden waren, kündigte Maksym im Scherz an, den Rivalen am nächsten Morgen nicht mit zum Austragungsort zu nehmen, um so die Partie nach Ablauf der Karenzzeit kampflos zu gewinnen. Durch Missverständnisse zwischen Maksym und Uwe, ein leichtes Verschlafen auf Li Min´s Seite und andere widrige Umstände kam es am nächsten Morgen unfassbarerweise tatsächlich fast zu diesem Szenario. Nur 20 Sekunden vor Ablauf der Partie stürzte Peng nach spontaner, waghalsiger Taxifahrt doch noch ans Brett und konnte letztendlich die Partie für sich entscheiden.
An einem der denkwürdigsten Abende erwartete das Basecamp der Schachfreunde hohen Besuch aus dem fernen Straßburg. Deniz Familie sollte von dort anreisen, um an seiner bereits zu diesem Zeitpunkt großartigen Turnierleistung teilzuhaben. Es entspann sich ein Abend voller Grillgenüsse, wobei Deniz Vater durch seine Teflonbeschichtetem Finger als Grillmeister Furore machte, voller Blitzpartien, welche präferierterweise mit einem Bier in Greifreichweite geführt wurden und einer wundervollen Gesangseinlage von Anna, die mit ihrer Ukulele die Nacht erhellte und aus den Schachfreunden einen seligen Knabenchor machen konnte.
Während die Schachfreunde höchstens gegen Abend und zum hochverdienten Feierabend ins Glas schauten, schienen andere den Turnieralltag deutlich weniger ernst zu nehmen. Einige Kontrahenten bemühten sich bereits ab 9 Uhr morgens (zumindest sind von dort die ersten Biervernichtungen im Außenbereich überliefert) um einen angenehmen Spielpegel und auch schienen einige von der jüngst beschlossenen Legalisierung von Hanfblüten Gebrauch zu machen.
Die Stimmung war jedenfalls großartig.
So verlief das Turnier mit Höhen und Tiefen, neuen Bekanntschaften und großen persönlichen, sowie mannschaftlichen Erfolgen. David konnte sich beispielsweise den Altersgruppenpreis U16 sichern, nachdem er durch einigen Scharfsinn wichtige Siege auch gegen geballte Lebenserfahrung erringen konnte.
Nach seinem Sieg im B Turnier im letzten Jahr konnte auch Clemens seinen Platz im A-Turnier etablieren und sich dort den Ratingpreis U1900 sichern. Seine Leistung und die seiner Kollegen Jan, Maksym und Deniz reichte außerdem aus, um den Schachfreunden den ersten Platz in der Mannschaftswertung des A Turniers zu bescheren. Der Letztgenannte Deniz konnte aber auch auf diesen Gipfel noch ein weiteres Sahnehäubchen daraufsetzen.
Mit einer unglaublichen Eloperformance von knapp 2400 schlug er überraschend sogar Titelträger und machte nicht einmal vor Großmeistern halt. In der letzten Turnierpartie konnte er gegen den GM Leonid Milow einen spektakulären Sieg erringen, der mit Sicherheit in die Annalen der Schachfreunde eingehen wird.
Er schied letztendlich als 7ter aus dem Turnier und kann sich der uneingeschränkten Bewunderung aller Mitspieler sicher sein.
Zusammenfassend lässt sich das diesjährige Hasslocher Schach-Open also als sportlicher, sowie persönlicher Erfolg auf ganzer Linie beschreiben, bei der die Mainzer Schachjugend (und ich meine hier auch die jung gebliebenen) um ein weiteres Mal gezeigt hat, was in ihr steckt. Und das ist neben großartigem Schach, Lernwilligkeit und Disziplin auch viel Gelächter, Freude am Spiel und eine familiäre Atmosphäre, die allseits überspringt und auch noch nach Tagen ein großes, warmes Gefühl in der Brust zurücklässt.
Danke dafür liebe Schachfreunde. Es war mir ein Fest.
Und so bleibt mir persönlich nun die Ehre, diesen Bericht mit den folgenden Worten zu signieren:
Noch Gastautor
Bald schon Vereinsmitglied
Sönke Burkhardt
P.S: und bis zum nächsten Jahr
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